Famulaturbericht | Brasilien 2023
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Bereits während des Studiums war uns beiden klar, dass wir unbedingt eine gemeinsame Auslandsfamulatur direkt nach unserem Examen machen möchten. So setzten wir uns bereits während des 8. Semesters hin, informierten uns über mögliche Länder und deren Hilfsprojekte und verschickten schließlich Mails an verschiedene Organisationen. Schnell war etwas Passendes gefunden und wir machten uns ans Planen. Wir buchten unsere Flüge, sammelten Sachspenden von verschiedenen Dentalfirmen und ließen alle wichtigen Impfungen machen.
Doch wie so oft plant man etwas und es kommt schließlich anders. Unsere Auslandsfamulatur nach Peru musste ganz kurzfristig aufgrund politischer Unruhen vor Ort abgesagt werden.
Da wir dennoch an unseren Traum festhalten wollten, schickten wir weitere E-Mails sämtlichen anderen Organisationen in Südamerika und fragten, ob wir irgendwo kurzfristig gebraucht werden und helfen können. Umso mehr freuten wir uns über eine spontane Zusage von Ruben Beyer, dem 1. Vorstand der Organisation „Zahnärztliches Hilfsprojekt Brasilien e.V.“. Nun hieß es schnell neue Flüge buchen und bereits 3 Wochen später landeten wir in Recife, im Bundesstaat Pernambuco.
Da wir für die neuen Vorbereitungen entsprechend wenig Zeit hatten, war vor allem die sprachliche Hürde zu Beginn eine sehr große Herausforderung für uns. Wie bereits in anderen Famulaturberichten erwähnt, sprechen die Menschen vor Ort tatsächlich nur Portugiesisch, mit Englisch und selbst mit Spanisch kommt man nicht sehr weit. Deshalb legen wir allen unseren Nachfolgern nochmal ans Herz, sich zumindest mit den Basics vor Abflug ein wenig auseinanderzusetzen – es lohnt sich!
Wir konnten zu Beginn kaum ein Wort und mussten uns die ersten Tage ziemlich durchkämpfen. Allerdings lernt man in der Not sehr schnell und bis zum Ende waren die Leute vor Ort sehr geduldig mit unserem Portugiesisch.
Ein guter Tipp ist es ebenfalls, sich mit der App Google Translate die Sprache offline runterzuladen, denn so kann man jederzeit, auch ohne WLAN, sein Handy zu Hilfe nehmen.
In unserer Unterkunft lagen zudem von unseren Vorgängern einige für die Behandlung hilfreiche Übersetzungen, die wir immer neben uns im Behandlungszimmer liegen hatten. Von Tag zu Tag verstanden einen die Patienten und Menschen besser, was uns sehr freute.
Unsere Flüge mit LATAM funktionierten zum Glück problemlos. Der ZAD stellte uns dankenswerterweise sehr kurzfristig eine Bescheinigung für die Zollfreiheit unserer Spenden aus. Wir legten sie gemeinsam mit unserer übersetzten Approbationsurkunde, die wir zuvor von der Organisation zugesendet bekamen, auf die mitgeführten Spenden in unserem Koffer und alles kam heil an.
Aufgrund der ursprünglich geplanten Peru-Reise waren wir bereits gegen Gelbfieber, Typhus und Tollwut geimpft, hier sollten man sich aber am besten vorab einmal im Tropeninstitut über sinnvolle Impfungen beraten lassen – vor allem, falls die Reise danach noch weiter geht. Für Pernambuco und Recife selbst benötigt man ein Glück keine Malaria-Prophylaxe.
Für eine Aufenthaltsdauer von 4-6 Wochen wird als deutscher Staatsangehöriger kein Visum benötigt und zumindest dieser Punkt fällt bei der Organisation vorab weg.
Die Steckdosen in Brasilien sehen anders aus als unsere (Typ N), davon darf man sich allerdings nicht beirren lassen. Sie sind mit den flachen Euro-Steckern (Typ C) von uns kompatibel und man benötigt keinen Adapter.
Vom Flughafen abgeholt wurden wir direkt zu unserem Zuhause für die nächsten vier Wochen gebracht: das Instituto Antonio Pessoa de Queroz (kurz: IAPQ). Hierbei handelt es sich um eine Einrichtung für sehbehinderte und blinde Menschen.
Auf dem Gelände befindet sich das große Institut, in dem unter anderem die zwei Irmas Ana Tereza und Lucenir wohnten, unsere Ansprechpersonen während der ganzen Zeit. Auch die Küche mit den wundervollen Küchenfeen war in dem großen Gebäude vorzufinden. Von den Damen bekamen wir 3-4-mal täglich traditionelles nordbrasilianisches und köstliches Essen zubereitetet.
Hinter dem Institut liegt eine Sporthalle, in der fast täglich irgendwelche Veranstaltungen stattfanden und in der man auch seinen Patienten beim Blindenfußball zuschauen konnte.
Im seitlichen Gebäude auf dem Gelände befindet sich unter anderem das Behandlungszimmer und direkt daneben das Apartment für uns Zahnärzte. Es gibt eine kleine Küche mit Esstisch und zwei Sesseln und hinter einer Wand stehen die Betten mit Moskitonetz, außerdem ein Bad mit Dusche. Es ist auch möglich seine Wäsche und die Kasacks in der Waschküche während des Aufenthalts zu waschen. Es mangelt wirklich an nichts, sogar WLAN gibt es, dennoch muss man sich die ersten Tage an die neue Heimat gewöhnen.
Der Kompressor des Behandlungszimmers funktionierte die ersten zwei Tage noch nicht und so machten wir uns am Anfang zunächst mit den ganzen Materialien und der Einheit vertraut und schauten, was noch organisiert werden musste, bevor es schließlich kurz darauf ans Behandeln ging. Generell wurden sich um alle aufgetretenen Probleme vor Ort sofort gekümmert und man konnte bereits hier spüren, wie sehr allen das Projekt am Herzen lag.
Bei unseren Patienten handelte es sich vorwiegend um Erwachsene, das Behandlungsspektrum war daher vielfältig: von Prophylaxe und Zahnreinigungen über Zahnfüllungen bis hin zu Extraktionen war alles dabei. Es ist besonders wichtig, den Patienten vorab genau zu erklären, welche Behandlungsschritte als nächstes folgen, um sie nicht zu erschrecken und um ihr Vertrauen zu gewinnen - was neben den sprachlichen Hürden vor allem durch den fehlenden Sehsinn eine besondere Herausforderung darstellt. Doch bereits nach kurzer Zeit wachsen einem alle Menschen vor Ort sehr ans Herz und beeindrucken mit Geduld und extremer Dankbarkeit für unsere Arbeit!
Was wir vor unserer Ankunft noch nicht wussten: ein brasilianischer Zahnarzt schaut jede Woche 1-2 Tage vorbei und versucht einem unter die Arme zu greifen. Lucas war uns eine sehr große Hilfe, da er die Aufklärung bei starken Angstpatienten nochmals genauer durchführen konnte, Röntgenbilder im naheliegenden Krankenhaus veranlassen und Medikamente verschreiben konnte und auch bei den fehlenden Materialien war er unser Ansprechpartner.
Er ist eine große Unterstützung und hat vor allem bei den Extraktionen den ein oder anderen guten Tipp. Außerdem war es interessant, sich mit ihm über die Unterschiede zwischen Deutschland und Brasilien in Bezug auf die Behandlungen auszutauschen und ihm mal bei der Arbeit über die Schulter zu schauen.
Lucas haben wir ebenfalls einen unserer schönsten Tage vor Ort zu verdanken, da er ebenfalls für die Station Santa Tereza im Nachbarort Olinda zuständig ist. Es handelt sich um eine betreute Schule für Kinder aus den umliegenden Favelas. Wir durften für einen Tag vorbeischauen und die noch ausstehenden Behandlungen der Kinder durchführen. Die aufgeweckten und neugierigen Kinder haben bereits nach diesem einen Tag einen besonderen und unvergesslichen Eindruck bei uns hinterlassen.
Obwohl uns das selbstständige Behandeln nach all den stressigen Studienjahren unfassbar Spaß gemacht hat, kam das Reisen während unseres Aufenthalts definitiv nicht zu kurz und wir nutzen jedes Wochenende, um das Land zu erkunden.
Neben Recife und Olinda sind wir unter anderem nach Maragogi, Ilha de Itamaraca, Porto de Galinhas und Pipa gefahren. Uber und AirBnB waren dabei unverzichtbar, funktionierten problemlos und waren außerdem sehr kostengünstig. Hierfür war es sehr hilfreich, dass wir uns direkt zu Beginn bei Klaro eine brasilianische SIM-Karte zulegten. Allerdings muss man wissen, dass ein Brasilianer einem die Karte freischalten muss (jeder Brasilianer hat einen persönlichen PIN von der Regierung zugesendet bekommen. Touristen können die normalen SIM-Karten nicht einfach verwenden).
Eine schöne Gelegenheit den Abend nach einem gelungenen Behandlungstag ausklingen zu lassen ist ein Kinobesuch in einem der nahgelegenen Shoppingcenter (z.B. Riomar oder Boa Vista). Hier laufen die Filme zu bestimmten Vorführungszeiten in Originalsprache.
Zu guter Letzt wollen wir uns bei allen Personen bedanken, die uns diese Reise überhaupt erst ermöglicht haben, an erster Stelle die Organisation „Zahnärztliches Hilfsprojekt Brasilien e.V.“ (Fallstr. 43 81369 München / www.zhb-online-de).
Ein besonderer Dank gilt zudem den Firmen Coltène, Gebr. Brasseler GmbH & Co (Komet dental), Voco, Alpro Medical GmbH, zahnimarkt (Komposite der Firma Cavex) und Hu-Friedy Group. Vielen Dank für Ihre großzügigen Spenden, die vor Ort dringend benötigt wurden und uns vieles erleichtert haben.
In unserer kurzen Zeit in Brasilien haben wir nur positive Erfahrungen sammeln und Leute kennenlernen dürfen, die wir nicht mehr missen wollen. Jeder der mit dem Gedanken spielt, eine Auslandsfamulatur in Brasilien zu machen, sollte sich dieses Projekt also genauer anschauen!
Obrigada Brasil!
Nora und Julia
Von Nora und Julia (Universität Tübingen), in Brasilien
Zeitraum: Sommer 2023