Famulaturbericht | Ghana 2017
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Nachdem ich im letzten Jahr mit „Dentists for Africa“ nach Kenia gereist bin, haben mich auch in diesem Jahr das Reisefieber und der Wunsch, im Ausland zahnärztlich tätig zu werden, gepackt.
Nach einigen Überlegungen habe ich mich dann im Januar an die Organisation „Dental Volunteers“ gewandt und dort nachgefragt, ob denn noch kurzfristig eine Möglichkeit bestünde, einen Famulaturplatz zu bekommen.
Ich bekam auch direkt eine Antwort, dass ich die Gelegenheit hätte, entweder nach Algerien in ein großes Flüchtlingslager oder nach Ghana zu reisen. Ich habe mich, da ich Afrika im letzten Jahr sehr zu schätzen gelernt habe, für Ghana entschieden. Als kleiner Staat in Ostafrika mit vielfältiger Natur, einer stabilen politischen Lage im Inland, keine überschießenden Ansteckungsraten diverser Infektionskrankheiten und eine interessante und herzliche Bevölkerung, bot Ghana eine reizvolle Mischung, die ich gerne entdecken wollte.
Ghana war zu dem Zeitpunkt quasi das Pilotprojekt der „Dental Volunteers“. Bisher war die Organisation selbst nur einmal dort, um die Möglichkeiten vor Ort und den Behandlungsbedarf der Bevölkerung in Erfahrung zu bringen. Auch Zahnärzte anderer Organisationen aus Deutschland, mit denen die „Dental Volunteers“ Kooperationen anstrebt, waren vorher schon einmal dort.
Vier weitere Studentinnen der Zahnmedizin und ich waren daher sozusagen die ersten Famulantinnen im Namen der Organisation, die in Ghana verschiedene Stationen anfahren und dadurch der Bevölkerung Möglichkeiten zur Behandlung vermitteln sollten.
Anfang August ging es dann für mich und zwei weitere Studentinnen aus Marburg von Frankfurt aus los nach Ghana. Wir sind zuerst nach Casablanca und von Casablanca aus weiter nach Accra geflogen.
In Accra wurden wir dann von zwei weiteren Studentinnen aus Kiel, welche schon ein paar Tage früher nach Accra geflogen sind, und Annette, die Tochter von Rose Sekhov, morgens vom Flughafen abgeholt. Rose Sekhov ist im Gebiet Accra sehr bekannt, da sie einen einen eigenen Verein von Kiel aus leitet, welcher regelmäßig Praktikanten und Freiwillige nach Ghana vermittelt. Sie besitzt ein Haus in der Nähe von Accra, in dem die Freiwilligen während der Zeit ihres Praktikums unterkommen können.
Wir wurden dann erst einmal in das Haus von Rose gebracht, um uns dort etwas von unserer langen Reise erholen zu können.
Unsere Erholungsphase hielten wir jedoch kurz, da wir am gleichen Tag nochmal nach Accra gefahren sind, um diverse Sachen wie Watterollen und Anästhesie für die kommenden Behandlungen kaufen zu können.
Auch haben wir am gleichen Tag noch in einer Schule in direkter Nachbarschaft mehr als 30 Schulkinder gescreent, da im September noch weitere Famulanten nach Ghana kommen werden und dann die Schulkinder behandeln möchten. Die meisten Schulkinder waren vorher noch nie beim Zahnarzt, waren aber sehr aufgeschlossen gegenüber des Screenings und einer eventuellen zahnärztlichen Behandlung. Viele Kinder litten bereits unter starken Zahnschmerzen und benötigten dringend eine Füllung oder eventuell eine Extraktion. Wir hatten daher für jedes Schulkind eine Karteikarte angelegt und darauf vermerkt, welchen Behandlungsbedarf das gescreente Kind hat, damit die kommenden Dental Volunteers mit der dringend benötigten Behandlung direkt starten können.
Danach war der erste Tag in Ghana für uns vorüber und wir bereiteten uns auf die lange Reise am nächsten Tag vor. Die erste Station, die wir in Ghana anfahren sollten, war das West Gonja Hospital in Damongo. Wir wurden am zweiten Tag von einem Fahrer des Krankenhauses abgeholt und mit dem Auto ins 15 Stunden entfernte Damongo gebracht. Da wir sehr spät am Abend dort angekommen sind, konnten wir uns erst am nächsten Tag um die anfallende Arbeit kümmern.
Am nächsten Tag wurden wir zuerst zu einem Gespräch mit dem Administrator des Krankenhauses gebeten, welcher uns in aller Form in Damongo begrüßte. Er stellte uns direkt Mary Grace vor, welche die Dental Unit leitet, wenn keine Zahnärzte aus Deutschland zu Besuch sind. In dieser Zeit macht Mary Grace alle zahnärztlichen Behandlungen wie Füllungen und Extraktionen komplett alleine. Daher war auch sie sehr froh, nun tatkräftige Unterstützung aus Deutschland zu haben und hieß uns alle herzlich willkommen. Sie führte uns zuerst durch das gesamte Krankenhaus und stellte uns auch allen Mitarbeitern, die uns unterwegs begegnet sind, vor. Es wurde auch kräftig die Werbetrommel gerührt, dass nun ein paar Studentinnen aus Deutschland die nächsten Tage hier sind und für die Zeit alle zahnärztlichen Behandlungen übernehmen. An der Pinnwand des Klinikums hing sogar ein Flyer, welcher unseren Besuch ankündigte.
Zu allerletzt zeigte uns Mary Grace unseren Arbeitsplatz für die kommenden Tage. Die Dental Unit bestand aus einem großen Raum mit einem Behandlungsbett für die Patienten und jeder Menge Zubehör wie ein Mikromotor für die Winkelstücke und Extraktionsbesteck. Auch Möglichkeiten zur Desinfektion der benutzen Instrumente gab es ausreichend.
Im Nachbarraum war sozusagen das Büro der Dental Unit, jedoch konnte auch hier eine Behandlungsliege bei Bedarf hinzugefügt werden. Wir begannen damit, zuerst einmal die aus Deutschland mitgebrachten Spenden zu sortieren, welche in Damongo bleiben können und welche Spenden zu einer anderen Station gebracht werden sollen. Wir haben Unmengen von Spenden aus Deutschland mitbringen können, darunter viele Tuben Zahnpasta, Zahnbürsten, Material für Füllungen und Instrumente für Extraktionen. Sogar diverse Winkelstücke und Handstücke befanden sich unter den Spenden.
Es fanden sich auch langsam die ersten Patienten an unserem ersten Tag ein und so kam es, dass wir die ersten Füllungen und die ersten Extraktionen durchgeführt haben. Gleich unsere erste Extraktion war etwas schwieriger, da wir eine Hemisektion an einem Molaren durchführen mussten, um ihn bestmöglich entfernen zu können. Doch auch diese schwierigere und etwas langwierigere Extraktion konnten wir gut meistern und der Patient ging zufrieden nach Hause.
Die folgende Zeit in Damongo haben wir hauptsächlich mit Extraktionen, Füllungen und Zahnreinigungen verbracht. Einiges kannten wir schon von unseren universitären Behandlungen her und konnten vieles davon auch sehr gut umsetzen. Schwierigere Fälle wiederum haben wir untereinander abgesprochen und uns gegenseitig beraten, wie man am besten den Patient versorgen könnte.
Aber jede Behandlung war immer wieder etwas Neues und ein interessanter Fall. Sei es Patienten mit einer sehr ausgeprägten chronischen Parodontitis oder Patienten, die dringend eine Extraktion benötigten, diese jedoch ablehnten und lieber Medikamente haben wollten. Den Patienten eindeutig darzulegen, dass Medikamente nur eine temporäre Lösung sind und es auf lange Sicht irgendwann auf eine Extraktion hinauslaufen wird, war manchmal sehr schwierig. Viele Patienten hatten Angst vor der Extraktion oder sie wollten aus ästhetischen Gründen den Zahn nicht verlieren.
Für mich persönlich waren die interessantesten Fälle die Extraktionen, da diese sehr vielfältig und immer wieder eine neue Herausforderung für uns waren. Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch ein Patient, der wegen einer Zahnreinigung kam und nicht wollte, dass sein Frontzahn gezogen wird, obwohl dieser schon sehr wackelte. Er bat mich, ihm irgendwie zu helfen, da diesen Zahn aus ästhetischen Gründen nicht verlieren wollte. Letztendlich haben wir ihm in einer Behandlung den Zahn mit den Nachbarzähnen verblockt, um den Zahn vorläufig zu stabilisieren. Jedoch mussten wir den Patienten aufklären, dass ihm der Zahn doch verloren gehen könnte und dies eventuell keine Dauerlösung ist. Er war uns aber sehr dankbar, dass wir für ihn zumindest eine temporäre Lösung gefunden haben und er den Zahn vorerst behalten konnte.
Neben den Patientenbehandlungen wollten wir uns die Gegend um Damongo anschauen und unsere Freizeit am Wochenende etwas nutzen. Damongo liegt in der Nähe des Mole Nationalparks, welcher der größte Nationalpark in Ghana ist. Des Weiteren ist er dafür bekannt, dass die Safari dort etwas preisgünstiger und daher auch gut für den studentischen Geldbeutel geeignet ist. Am Wochenende verbrachten wir die Zeit dort und haben uns auf Safari diverse Tierarten wie Elefanten, Affen, Antilopen und viele Vogelarten anschauen können.
Ich habe auch mal einen Tag die Kinderstation des Krankenhauses besucht und ich wollte dort Kuscheltiere für die erkrankten Kinder überreichen. Leider hatte das Krankenhaus keine finanziellen Möglichkeiten, einen Spielraum für die Kinder zu errichten, in dem ich das Spielzeug hätte platzieren können. Jedoch hatte ich die Chance, jedem Kind ein Kuscheltier direkt schenken zu dürfen und ihm zumindest während des Aufenthalts eine kleine Freude zu machen.
Als weitere Station in Ghana wurde von der Organisation Langbensi vorgeschlagen. Da die Organisation leider selbst diese Station noch nie besucht hat und wir uns somit kein Bild davon machen konnten, was uns eventuell erwartet, war es mir etwas zu heikel, dorthin zu fahren und ich bin vorzeitig wieder nach Deutschland abgereist.
Mein generelles Fazit nach meiner Abreise ist daher, dass es sehr wichtig ist, sich die Organisation, mit der man seine Famulatur plant, genau auszusuchen und exakt nachzuhaken, was definitiv für den Aufenthalt geplant ist und wo genau man überall hinreisen wird.
Des Weiteren ist es wichtig, dass die Organisation plant und dafür sorgt, dass man vom Flughafen abgeholt wird, dass eine vernünftige Unterkunft zur Verfügung steht, dass ein Ansprechpartner vor Ort ist und dass man als Famulant weiß, wie man am Ende des Aufenthalts auch wieder sicher zum Flughafen kommt. Letztes Jahr mit „Dentists for Africa“ waren all diese Voraussetzungen erfüllt, dieses Jahr leider von seitens der Organisation nicht. Prinzipiell fährt man ja auch mit einer deutschen Organisation, um diese Art von Unterstützung zu bekommen.
Auch finde ich es persönlich wichtig, dass man sich die Zeit nimmt und die anderen Studenten, mit denen man die Famulatur antritt, vor der Abreise intensiv kennenlernt. Sei es durch mehrere Telefonate oder durch persönliche Treffen, falls dies aufgrund der Distanz möglich ist.
Letztes Jahr habe ich vor meiner Famulatur in Kenia mit der anderen Studentin aus Würzburg sehr viel telefoniert, damit wir schauen konnten, ob wir ungefähr auf einer Wellenlänge sind und auch die drei Wochen zusammen schaffen werden. Letztendlich haben wir das zusammen gut hinbekommen, da wir uns in jeder Situation aufeinander verlassen konnten.
Es reicht im Endeffekt leider nicht aus, nur aufgrund von Nachrichten zu kommunizieren, denn dadurch lernt man sich nicht kennen und erlebt eventuell böse Überraschungen. Von daher empfehle ich, diesen Punkt wirklich ernst zu nehmen. Es ist auch oftmals besser, mit Personen zu reisen, die man vorher schon kennt.
Es ist auch von Vorteil, wenn man nicht unbedingt in einer großen Gruppe eine Famulatur antritt. In Ghana waren wir zu fünft und das waren definitiv mindestens zwei Studenten zu viel in einem Behandlungsraum. Es ist generell in Ordnung, wenn die Organisation mehrere Studenten in ein Land schickt, doch wäre es für alle Beteiligten besser und lehrreicher, wenn man auf die verschiedenen Stationen aufgeteilt werden würde. Sei es letztendlich, dass am Beispiel von Ghana zwei oder drei Personen in Accra sind und zwei Personen in Damongo behandeln. Während des Aufenthalts kann man sich immer noch untereinander absprechen, ob man mal die Stationen tauschen möchte oder ganz woanders hingeht.
Für mich war es aber trotz dieser Erfahrungen wieder ein besonderes Erlebnis, nach Afrika zu reisen. Es ist sehr interessant und lehrreich, andere Kulturen kennenzulernen und vor allem im zahnmedizinischen Bereich neue Erfahrungen zu sammeln. Die Behandlungen in Afrika laufen unter ganz anderen Umständen ab als die Behandlungen in Deutschland. Man muss mit viel weniger auskommen als man von den Behandlungen in Deutschland gewohnt ist, sei es Material, Strom, Zeit oder auch Hygiene.
In Ghana selbst herrschte auch ein enorm großer Behandlungsbedarf. Viele Patienten waren noch nie beim Zahnarzt oder schon sehr lange nicht mehr in einer Behandlung. Sie kommen mit großen Schmerzen in die Dental Unit und hoffen auf eine schnelle Linderung der Schmerzen, was nicht immer möglich war. Viele Patienten hatten dann auch Angst vor der Behandlung und sind dann nach Hause gegangen in der Hoffnung, noch größeren Schmerzen zu entkommen. Auch Gespräche, dass eine Behandlung in der momentanen Situation wichtig und dringend notwendig ist, waren nicht immer von Erfolg gekrönt.
Die Arbeit in Ghana war daher nicht immer einfach, aber es war für uns mit Sicherheit eine unvergessliche Zeit. Wir sammelten wundervolle und neue Eindrücke und erlebten unvergessliche Momente.
Ich bin mir sicher, spätestens nach meinem Examen wieder nach Afrika zurückzukehren und neue Erfahrungen zu sammeln.
Von Kristin Kautsch (Universität Göttingen), in Ghana
Zeitraum: 2017